Der Begriff der Menschenrechte wird wie kaum ein anderer missbraucht, und es ist immer angezeigt, äußerst wachsam zu sein, wenn ein Politiker ihn in den Mund nimmt. Gerade erleben wir am Beispiel des Murat Kurnaz, der jahrelang unschuldig in Guantanamo schmoren musste, weil die Bundesregierung den Deutschtürken nicht im Lande haben wollte, dass selbst SPD und Bündnisgrüne, die sich gern zu den entschlossensten Vorkämpfern der Menschenrechte erklären, wenn es um andere Länder geht, eiskalt ihre eigenen Schwüre vergessen, wenn diese nicht ins politische Kalkül passen. Die Union in der gegenwärtigen Regierung scheint da fein raus, hat doch Angela Merkel durch ihre Vorsprache bei Bush dem Martyrium Kurnaz‘ endlich ein Ende bereitet. Davon abgesehen aber sind aus ihrer Partei immer wieder Stimmen zu hören, die im Zweifelsfall kein anderes Verhalten von Unionspolitikern erwarten lassen, wenn es ihnen politisch opportun erscheint.
Erst kürzlich hat ausgerechnet der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, der als ehemaliger Bürgerrechtler auch keine Gelegenheit auslässt, auf Menschenrechtsverletzungen in der DDR hinzuweisen, die USA hinsichtlich Guantanamos in Schutz genommen. Angesichts von Menschenrechtsverletzungen über all in der Welt, wobei ihm vor allem China, Russland, Kuba und Nordkorea einfielen, sei »Guantanamo nicht so besonders, wie es in der Öffentlichkeit dargestellt wird«. Schließlich ginge es ja um »nur 395 Gefangene, die ungerechtfertigt ohne Prozess festgehalten werden«. Eine ähnlich laxe Haltung gegenüber der Achtung von Menschenrechten im eigenen Lager hat auch der für ihre Einhaltung besonders verantwortliche Bundesinnenminister schon mehrfach bewiesen. So ist für Wolfgang Schäuble Folter, obwohl im Grundgesetz ohne Wenn und Aber verboten, nicht ganz so verabscheuungswürdig, wenn sie durch befreundete Folterer betrieben wird. Dann sollte man sich zumindest der dadurch gewonnenen »Erkenntnisse« bedienen. »Ich meine, eine solche Informationsbeschaffung können wir nicht von vornherein ablehnen«, ließ er uns vor einiger Zeit wissen.
Offensichtlich gibt es also Leute, denen Menschenrechte zustehen, und solche, die sie sich eher nicht verdient haben.