Was seit dem letzten Wochenende zu erwarten war, ist nun eingetreten: Die neue SPD-Führung in Berlin hat die ihr verbliebenen Truppen im hessischen Landtag zurückgepfiffen und damit die Absicht Andrea Ypsilantis, es wenigstens in einem Bundesland noch einmal mit von der SPD verantworteter linker Politik zu versuchen, beendet. Denn um die Linkspartei ging es schon lange nicht mehr bei der Auseinandersetzung in Hessen; sie spielte in den aufgepeitschten Debatten der letzten Tage nur noch eine untergeordnete Rolle. In Wirklichkeit ging es jetzt um die Frage, ob in oder mit der SPD noch eine linke Politik möglich ist, die diesen Namen verdient.
Die hessische SPD wollte sich in ihrer übergroßen Mehrheit auf einen solchen Kurs begeben; sie handelte einen Koalitionsvertrag aus, mit dem sie die meisten ihrer Wahlversprechen einlöste und vor allem dadurch für erhebliche Irritationen im überwiegend Mitte-Rechts-orientierten SPD-Establishment sorgte. In Hessen jedoch wollten 95,3 Prozent (!) auf diesem Weg gehen, und hätten die restlichen, an wenigen Händen abzählbaren Gegner sich an das Votum ihres eigenen Parteitages gehalten, wäre das der letzte ernsthafte Versuch der Sozialdemokratie gewesen, als Kraft der Linken in der gesellschaftlichen Arena zu agieren.
Das aber hat nun die SPD-Bundesspitze verhindert, denn natürlich haben sich die Abweichler nicht aus eigenen Stücken in letzter Minute gegen fast die gesamte Landespartei gestellt. Das hätten sie bereits seit langem tun können, doch nur Dagmar Metzger bezog von Anfang an eine ablehnende Position. Dass sie nun drei Begleiter bekommen hat, kann zumindest mit Diskussionsprozessen innerhalb des hessischen Landesverbandes nicht erklärt werden, denn dafür war genügend Zeit und Gelegenheit gewesen. Wenn man dazu berücksichtigt, wie sehr ein Erfolg Ypsilantis Münteferings geplante Linie für den Bundestagswahlkampf konterkariert hätte, ist ziemlich klar, woher zuletzt der Gegenwind gegen Andrea Ypsilanti wehte – und Franz Müntefering hat das heute in seiner Erklärung auch nicht geleugnet, wohl wissend, dass ihm ohnehin niemand glaubte. Er hat im Gegenteil die Dissidenten gegen die überwiegende Stimmung in der SPD indirekt sogar verteidigt, wenn er auch ihre späte Offenbarung rügte.
Daher lohnt es sich, das alte »Cui bono?« zu bemühen: Wem nützt es? Und da ist die Antwort klar: Es nützt weder Hessen noch der SPD im Land wie im Bund, es nützt schon gar nicht der notwendigen sozialen und ökologischen Erneuerung im Lande, deren Dringlichkeit gerade die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung eindrucksvoll unterstreicht. Es nützt vor allem der neuen rechtsgerichteten SPD-Führung unter Müntefering und Steinmeier, die nun freie Bahn hat für ihre lange erkennbare Absicht, linke Politik für die Fortsetzung der Regierungsbeteiligung zu opfern, also letztlich die große Koalition fortzusetzen. Und es nützt natürlich Roland Koch, der in Hessen an der Macht bleibt. So wie es Angela Merkel nützt, die mit der Fortsetzung ihrer Kanzlerschaft nach 2009 – auch mit der Unterstützung der SPD – rechnen kann.
Insofern hat die SPD heute in Wiesbaden eine wichtige, aber nicht überraschende Weichenstellung vollzogen, die sie langfristig weiter mit politischem Bedeutungsschwund wird bezahlen müssen.
Es ging zuletzt bei den innerparteilichen Grabenkämpfen der SPD tatsächlich nur noch am Rande um die „böse Linkspartei“, sondern um den grundsätzlichen politischen Kurs der SPD. Die Linken hatte sich ja auch diszipliniert verhalten und keinen Anlaß für eine vernichtende Manöverkritik geliefert. Dann mußten die Parteirechten bei den Sozialdemokraten eben die Notbremse ziehen, um einen Hauch von linker damit tendenziell kapitalkritischer Reformpolitik auf Landesebene im Westen Deutschlands doch noch zu verhindern. Die davon ausgehende Signalwirkung über Hessen hinaus wäre ja auch groß genug gewesen.
„Klare Kante“ wurde also wieder einmal dem staunenden Publikum auf drastische Weise vorgeführt. Und darauf versteht sich Franz Müntefering besonders gut. Warum übrigens nicht in der geheimen Abstimmung am Dienstag im hessischen Landtag die aufmüpfigen linken Genossen jäh scheitern lassen? Weil dies dem Ansehen von Andrea Ypsilanti weniger geschadet hätte, als dies jetzt womöglich der Fall ist. Als wehrloses Abstimmungsopfer wäre die Solidarisierungswelle in der Partei und auch darüber hinaus ungleich größer gewesen. Einen zweiten Fall Heide Simonis konnten sich die Strippenzieher nicht erlauben. Nun aber kann man in Hessen einfacher versuchen, den „Neuanfang“ zu wagen. Ob mit oder auch ohne die in den Augen der Putschisten von rechts ungebliebten „Frau XY“. Und an der tatkräftiger Hilfe von der Bundes-SPD für die Genossen in Hessen soll es bestimmt auch nicht fehlen.
CUI BONO ? Es nützt der Freiheit. Roland Koch dient der Freiheit.
Und by the way — morgen hätten auch zwei Kommunisten gegen Frau Ypsi gestimmt.
Ist das noch immer nicht durchgetrommelt ?
rechtsruck in der spd. wo ist der denn? die spd rückt seit langem immer mehr nach links. zu ihrem verhängnis. linke politik ist ja in ordnung, wenn sie nicht immer so polarisieren würde. die bösen sind nicht die unternehmen. die bösen sind also auch nicht die, die einen flughafen in frankfurt am main ausbauen wollen, wie oft bitte schön fliegt denn frau ypsilanti. ein glück ist die gescheitert
@ Stefanie
Wenn es denn so wäre mit der SPD, liefen ihr nicht die Mitglieder und Wähler scharenweise zur Linken weg. Ohne Ypsilanti droht ihr das auch in Hessen mehr noch als bisher schon.