(pri) Immer offensichtlicher wird, dass es bei der (noch) virtuellen Schlacht um Syrien weniger um das Land, seine Bewohner, die Kriegsopfer geht als vielmehr um eine neue Runde im Ringen der Weltmächte USA und Russland um ihre Position auf diesem Globus.
Barack Obama hielt es nach einer Serie von internationalen Demütigungen in der Weltarena, die sowohl von Verbündeten wie Israel oder Pakistan, als auch von alten Gegnern wie China oder Russland und sogar von neuen Akteuren wie den arabischen Staaten in ihrem Emanzipationsdrang ausgingen, offensichtlich für zwingend geboten, mit einem starken symbolischen Akt zu demonstrieren, dass sich die USA weiter als der einzig rechtmäßige Welt-Sheriff verstehen, um damit wenigstens einen Teil früheren Respekts zurückzugewinnen. Denn immer weniger hatte die letzte verbliebene Supermacht der Welt ihren Willen aufzwingen können; mit solchem Prestigeverlust soll jetzt Schluss sein.
Auf der andren Seite nutzte Russland die unübersehbare amerikanische Schwäche gnadenlos zu einer Renaissance der eigenen Bedeutsamkeit. Putin hat weitaus besser als Obama frühzeitig die globalen Entwicklungen analysiert und erkannt, wie in der Welt das Misstrauen gegenüber der hemdsärmlig vorgehenden Supermacht wuchs. So gelang es ihm, seine Niederlage im Libyen-Konflikt, als die USA russische Kompromissbereitschaft zu eigenem Geländegewinn missbrauchte, beim nächsten derartigen amerikanischen Versuch, nun in Syrien; zu eigenen Positionsverbesserungen zu nutzen; mehr noch – Obama im Überschwang vermeintlicher Überlegenheit in eine Falle zu locken, aus der er ohne weiteren Prestigeverlust kaum herauskommt.
Indem Russland jede Kooperationsbereitschaft beim syrischen Abenteuer verweigert, sondern auf eine politische Lösung pocht, die ohne Assad nicht zu haben ist, zwingt es die USA zum völkerrechtswidrigen Alleingang, der zudem noch verbunden ist mit unübersehbaren Risiken, zu deren Reduzierung Putin dem amerikanischen Präsidenten nicht den kleinen Finger reicht. Eine verständliche Reaktion angesichts der westlichen Anmaßung, eine UN-Sicherheitsratsresolution müsse unbedingt zu einem Militärschlag gegen Syrien führen, während eine politische Lösung, die ureigene Aufgabe der Weltorganisation, gar nicht erst in Betracht gezogen wird. Dabei ging Obama äußerst unprofessionell sogar so weit, wegen seiner Verärgerung durch den Fall Snowden den Gesprächsfaden zum russischen Präsidenten zu kappen, was sich jetzt zusätzlich rächt.
Aus diesem Dilemma kommt die US-Administration ohne weiteren Gesichtsverlust nicht heraus. So wird der Angriff auf Syrien zur Verzweiflungstat, die allein eitler Supermachtdemonstration dient – ohne Rücksicht auf Verluste. Dabei ignoriert Washington, wie sehr er zu einem Fehlschlag werden kann – entweder, weil die angepeilte rein symbolische Aktion nach dem Motto: »Du bekommst eine Tracht Prügel, aber ich haue nur vorsichtig zu« Assad eher stärkt als schwächt, oder weil sie einen unkalkulierbaren Verlauf nimmt, der die USA erneut in einen von vornherein verlorenen langwierigen Krieg treibt. Die Vereinigten Staaten werden Reputation in der Welt durch ihr völkerrechtswidriges, in der Tradition George W. Bush stehendes Vorgehen weiter verspielen. Und sie werden – wie die Verweigerung des bislang treuesten Verbündeten Großbritannien zeigt – die Erosion des westlichen Bündnisses beschleunigen.
In diesem Machtverlust Washingtons liegt freilich auch eine Hoffnung. Es wird sichtbar, dass die USA, obwohl die einzige und militärisch weit überlegene Supermacht, nicht mehr schalten und walten kann wie sie möchten. Obama kann sich nicht mehr – wie noch Bush – über die Weltmeinung hinwegsetzen; vor allem weil die Gegner kriegerischer Lösungen weltweit mehr und stärker geworden sind. Allein hierin liegt der Grund dafür, das der Präsident mit seiner Kriegsentscheidung so lange zögert. Die »Koalition der Willigen«, die Bush und Rumsfeld noch gegen Irak schmiedeten, ist gegen Syrien stark geschrumpft. Und auch das »neue Europa«, das die USA einst als neuen Verbündeten zu erkennen glaubten, hat sich faktisch in Luft aufgelöst. Hilflos dürfte Barack Obama zwar noch einmal zu den einst so erfolgreichen Mitteln des Weltgendarms greifen – und wird dadurch doch nur den Eindruck eines Ritters der traurigen Gestalt erwecken.
Eine ausgezeichnete Analyse der geopolitischen Lage zum Syrien-Dilemma,
der ersten großen Kraftprobe der Großmächte in diesem Jahrhundert!
Der Westen kann wieder einmal die Weltlage nicht real einschätzen.
Rußland und China sind keine „Knechte“ der USA und die „Verbündeten“ der „einzig verbliebenen Weltmacht“ werden für Washington immer mehr zur Belastung ihrer Interessenpolitik.
Der Rückzug auf die Konsolidierung der eigenen Kraft bleibt die einzige Chance für die USA das 21.Jahrhundert zu überleben.
Rußland durchschreitet unter Putin gerade diesen Prozeß des Neuaufstieges von der Großmacht zur Weltmacht. Klugerweise im (Zweck-) Bündnis mit China. Deutschland sollte das beachten !